Retten allein ist nicht genug – Verwahrung statt Tierschutz

Das Leid der Tiere scheint unendlich. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, zu helfen. Doch das Leid wird nicht immer von den Bösen verursacht.

Bilder, Videos, noch mehr Bilder und noch viel mehr Videos

Nachdem Pauli letzten Monat gestorben ist surfe ich unbewusst immer wieder zu Tierschutzseiten. Ich klicke mich durch die Katalogseiten unzähliger heimatloser Auslandshunde und schaue mir deren genauso unzähligen Videos an – vielleicht auf der Suche nach einem Zeichen.

Ich sehe sie mir alle an. Die Bilder, die Videos. Stundenlang, ununterbrochen, Nächte durch. So lange bis ich mir sicher bin, ich wäre der schlechteste Mensch auf Erden, weil ich jetzt schon 40 Tage ohne eigenen Hund bin, statt eine dieser vom Tod bedrohten Seelen zu retten. War ich nicht immer diejenige, die an trauernde Hundehalter appelliert hat, dass sie Platz in ihrem Herzen für einen Neuen machen und die Lücke mit einem weiteren Tier aus dem Tierschutz füllen sollen?

Auslandstierschutz

Es ist erstaunlich, wie viele Tierschutzorganisationen es inzwischen gibt, die im Ausland aktiv sind. In Spanien, Griechenland, Ungarn, Bulgarien,… und aktuell vor allem in Rumänien. Nicht überall machen Kastrationsaktionen Sinn. In Rumänien gerade weniger. Die staatlichen Hundefänger bringen alle Hunde, die sie im Rahmen der groß angelegten Einfang- und Tötungsaktionen erwischen, in Tötungsstationen, wo sie nach Ablauf einer Frist getötet werden. Da kann man das Geld für Kastrationen auch gleich im Klo runterspülen.

Die Haupttätigkeit der dort aktiven Tierschützer liegt deshalb im Einfangen von Straßenhunden und dem Herausholen der Hunde aus Tötungsstationen, was natürlich auch die Organisationen in anderen Ländern tun. Die Hunde kommen in Shelter, sowas wie Tierheime, und warten dort auf eine Pflegestelle oder eine Adoption. Oder doch wieder auf den Tod?

Oft bleibe ich ratlos zurück.

Ich kann auf vielen Bildern und in vielen Videos keine Unterschiede erkennen, weiß nicht, was noch Tötungsstation ist und was schon Shelter. Die Hunde wechseln mit der Rettung den Ort, doch die Lebensbedingungen ändern sich kaum.

Sie werden gesichert und vor der staatlichen Tötung bewahrt, die nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist auf sie warten würde. Sie sind gerettet. Man tut ihnen nun keine Gewalt mehr an, sie bekommen regelmäßig Futter, ein paar nette Worte und es laufen Leute herum, die Fotos für Facebook oder ihre Mitgliederzeitung machen. Aber das war es dann auch schon.

Sie leben in Außenzwingern ohne Dach zum Schutz vor Sonne, Regen und Schnee. Mit drei kleinen Hütten drin – wenn überhaupt – in denen wohl kaum alle 15 Hunde oder mehr, die sich diesen Zwinger teilen, Schutz finden werden. Sie humpeln, haben Bisswunden, zerfranste Ohren, ein blutiges Auge. Ich sehe die Panik in den Augen und in Ecken kriechende Hunde, die zwischen Hundehaufen und Urinlachen zitternd auf die nächste Attacke ihrer Artgenossen warten.

Ich frage mich, wie ich wohl lieber sterben würde.

Indem ich mit dem Gefühl der Freiheit überfahren oder vergiftet werde? Oder mit Todesangst in nach Fäkalien stinkender Enge, drangsaliert und verletzt von anderen, mit dem Gefühl des Ausgeliefertseins bis mich schließlich jemand tötet oder ich totgebissen werde? Und das alles nur für die minimale Chance, vielleicht vorher „gerettet“ zu werden, von der ich selbst als Betroffener überhaupt nichts weiß?!

Meine Antwort wäre eindeutig.
Obwohl mir eine erlösende Spritze noch lieber wäre.

Versteht mich nicht falsch. Ich bin ganz klar PRO Auslandstierschutz. Und damit meine ich ganz sicher nicht nur Kastrationsaktionen und Aufklärung, denn das hilft denen nicht mehr, die gerade jetzt  in Not sind.

Während ich hier sitze und diese Zeilen schreibe, steht eine Bulgarin in Kälbchengröße auf dem Kratzbaum meiner Katzen und frisst vom Katzengras auf der Fensterbank.

Die ungarische Fußhupe auf meinem Bauch wärmt mich, behindert gleichzeitig meine Atmung und sorgt dafür, dass ich auf dem Schreibtischstuhl immer weiter nach unten rutsche, damit sie es möglichst bequem hat.

Sicher würde ich niemals wollen, dass Hunde sterben.

Aber das Retten und Verwahren reicht nicht aus!
So geht kein Tierschutz!!!

Sammeln sie noch oder schützen sie schon?

In einem Video hoppelt mir ein schwerer Herdenschutzhund wie ein Kaninchen entgegen. Ein ziemlich sicheres Zeichen für eine massive Fehlbildung der Hüftgelenke. Darunter steht: „XXX sucht ein Zuhause. Uns fehlt das Geld, um ihn behandeln zu lassen“.

In vielen Auslands-Tierheimen werden auch Brüche nicht geröntgt, geschweige denn behandelt. Man wartet, bis sie vielleicht von allein und schief wieder zusammen wachsen. Es gibt keine Quarantänestation für Neuankömmlinge, Impfungen erst recht nicht, sodass tödliche Viruserkrankungen wie Parvovirose und Staupe die Runde machen. Und dann die von Milben zerfressenen Hunde… Behandlung? Fehlanzeige.

Einige sammeln überfahrene, querschnittsgelähmte Hunde, ohne ihnen die nötige Pflege bieten zu können. Ist ein Hund querschnittsgelähmt, ist er pflegebedürftig. Man muss dafür sorgen, dass er weich liegt, muss darauf achten, dass er bei niedrigen Temperaturen nicht auskühlt, weil er sich natürlich kaum bewegt. Darm und Blase müssen mehrmals täglich geleert, entstehende Wunden sofort versorgt und ab und zu müssen diese Hunde auch gewaschen werden. Im besten Fall geht die Aufnahme noch mit einer tierärztlichen Untersuchung einher, damit man weiß, was Sache ist.

Und ich frage mich, ob das alles so richtig ist. Warum es Menschen nur darum geht, viele zu retten statt ein paar weniger richtig zu retten. Wie viel davon Geltungsbedürfnis ist und wieviel Krankheit. Würde sowas hier in Deutschland passieren, würden diese Menschen nicht nur ein Tierhalteverbot, sondern auch psychologische Hilfe bekommen. Animal Hoarding nennt man das – Typ Befreier/Pfleger.

Entweder kümmert man sich richtig oder man erlöst.

Wie durch Zufall fällt mir der Report 26 in die Hände, die aktuelle Ausgabe des Magazins des Fördervereins Arche Noah Kreta e.V. in die Hände. Darin ein Artikel von Vereinsvorsitzendem und Tierarzt Thomas Busch und Gregor Uhl mit dem Titel „Tierheime im Ausland töten?“. Ihr könnt ihn hier lesen und solltet dabei auch die Fotos auf der rechten Seite ansehen. Es sollen besonders harmlose Fotos sein, aber laut Tierärztepool leider alles andere als Einzelfälle.

Natürlich geht es auch anders. Es gibt viele gute Tierschutzorganisationen, seien sie noch so klein, die großartige Arbeit leisten. Doch diese haben häufig ein anderes Problem, an dem wir übrigens alle schuld sind. Aber dazu ein anderes Mal mehr.

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Ich bin Manuela, anfang 40 und blogge rund um Hund und Tierschutz. Beruflich bin ich als Tierpflegerin unterwegs. Meine beiden Hunde Muffin und Zora begleiten mich im Alltag.

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4 Kommentare

  1. Yes!!
    (Manchmal muss man vielleicht auch nicht mehr schreiben)

  2. Ein sehr guter Bericht mit interessanten Denkanstößen!
    Ich selbst habe auch einen Hund aus dem Auslandstierschutz…Yeti habe ich aus Ungarn mitgenommen.
    Mit ihm reise ich im Bulli durch die Welt und habe im Rahmen meiner Tierreportagen schon zahlreiche Auffangstationen besucht.

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